Für uns ist es heute nahezu eine Selbstverständlichkeit, dass zuhause jederzeit sauberes Trinkwasser aus Leitungen fließt. Vor 130 Jahren war das jedoch ein Novum. Bis dahin stammte das Wasser aus Brunnen und selbst in „nassen“ Zeiten mangelte es häufig an diesem wichtigen Gut.
So mancher Verantwortliche in Berzdorf und Brühl beäugt den Bau eines Wasserwerks zunächst skeptisch. Dass der Bau dennoch erfolgt, ist dem Düsseldorfer Ingenieur Ehlert zu verdanken: Er leitet 1893 sowohl den erfolgreichen Bohrversuch in Berzdorf als auch später den Bau des Wasserwerks und dessen Inbetriebnahme. Zwei einzylindrige Dampfmaschinen fördern minütlich etwa 600 Liter zutage. Damit konnte das Wasser aus einem 16 Meter tiefen Brunnen sprudeln.
Gleichzeitig entsteht der noch heute erhaltene Berzdorfer Wasserturm – mit einer Höhe von 32,5 Meter und einem gusseisernen Hochbehälter mit einem Volumen von 350 Kubikmetern, das entspricht rund 2.000 gefüllten Badewannen. Auch heute gilt er noch als Wahrzeichen von Berzdorf. Der erste Wasserturm auf Brühler Boden wird um die Jahrhundertwende an der Gabjej erbaut. Er befindet sich in der Nähe der Grube „An Maria Glück“. Neu verlegte Wasserleitungen verbinden die Türme mit den Häusern und lassen das Wasser aus den ersten Hähnen fließen.
Das Wasserwerk: eine Erfolgsgeschichte
Nachdem die Gemeindeväter bei Inbetriebnahme des Werkes gleich 600 statt der erwarteten 250 Anschlüsse verzeichnen, verfliegt die anfängliche Skepsis zur Rentabilität schnell. Im ersten Jahr gibt das Wasserwerk 39.591 Kubikmeter, knapp 220.000 Badewannen, Wasser ab. Pro Person sind das rund 41 Liter pro Tag. Bald schon schließen sich nach und nach Nachbargemeinden – allen voran Berzdorf, der Heimatort des Wasserwerkes – und die späteren Stadtteile Brühls an. Insgesamt werden nun 18 Ortschaften und die umliegenden Braunkohlekraftwerke durch das Wasserwerk versorgt.
Handarbeit: Der Ausbau des Rohrnetzes
Das Interesse und der Bedarf an Wasser steigen, sodass das Rohrnetz stetig erweitert wird. Insbesondere nach Liblar gestaltet sich dies besonders schwierig. Die Arbeiter müssen das Material mühsam mit Fahrrädern und Handkarren durch das unwegsame Waldgelände transportieren. Außerdem bohrt man zwei weitere Brunnen mit 19 und 21 Meter Tiefe. 1914 liegt der Wasserverbrauch bei mehr als dem Zwölffachen wie 1895/96: 760.000 Kubikmeter, das entspricht etwas mehr als der Hälfte des Volumens des Heider Bergsees.
Wirtschaftlicher Einfluss
Nach dem Ersten Weltkrieg haben die dampfbetriebenen Pumpen ausgedient. Fortan fördern elektrische Kreiselpumpen das Wasser nach oben. Inflationen und der abwandernde Braunkohleabbau beeinflussen die abgegebene Wassermenge ebenso wie zwischenzeitlicher wirtschaftlicher Aufschwung. Um den Wasserdruck zu erhöhen, stockt man den Wasserturm 1935 um 15 Meter auf.
Nachkriegsjahre
Die Nachkriegsjahre sind geprägt vom Wiederaufbau. Zu sehr wurde das Wassernetz im Zweiten Weltkrieg zerstört: 173 Rohrbrüche an Hauptleitungen, 120 defekte Hausanschlüsse, defekte Pumpanlagen und zerstörte Hochbehälter müssen wieder instand gesetzt werden.
Der Wasserturm „An Maria Glück“ findet derweil 1951 ein jähes Ende: Zum Zweck der Braunkohle-Gewinnung wird er unter den Augen vieler Schaulustiger gesprengt. Für ihn entsteht nur wenige hundert Meter weiter der jetzige 171,31 Meter über Normalnull liegende Wasserturm mit einem 1.500 Kubikmetern (ca. 8.350 Badewannen) fassenden Hochdruckspeicher. Trotz des hoch gelegenen Bauplatzes an der Gabjei (Liblarer Straße) fehlen 44,5 Meter, sodass unter dem Speicher zusätzlich 14 Wohnungen, drei Waschküchen und drei Trockenräume sowie eine Gaststätte im Erdgeschoss entstehen.
Nach Umbauten 1951 und 1953 im Berzdorfer Wasserwerk entschließt man sich im Jahr 1961 zum Abriss und Neubau. Die hochmoderne Anlage fördert ab 1963 aus drei Tiefbrunnen Wasser. Eine vollautomatisch arbeitende Wasseraufbereitungsanlage entzieht dabei dem Wasser Eisen und Kohlensäure.
Steigender Wasserbedarf
Neue Baugebiete und der wirtschaftliche Aufschwung sorgen für steigenden Wasserbedarf. Infolgedessen bohren die Stadtwerke weitere Tiefbrunnen, um auch in trockenen Sommer die Wasserversorgung zu sichern. Zwei Erdbehälter in der „Alten Bohle“ schaffen weitere Reservekapazitäten. Mit dem insgesamt hier gespeicherten Wasser kann ganz Brühl zu Reparaturzwecken am Wasserwerk für rund 18 Stunden versorgt werden.
Zwischen 1950 und 1979 verlassen zahlreiche Gemeinden das Brühler Versorgungsnetz, um autark zu werden. Dennoch steigt die zu fördernde Wassermenge in Brühl an.
Die Stadtwerke erweitern und verbessern das Netz permanent und investieren in Wasseraufbereitungsanlagen, um die Trinkwasserqualität weiterhin sicherzustellen.
Die nun eingesetzten Kiesfilter bereiten das Wasser gänzlich ohne chemische Mittel, wie sie bis dato verwendet wurden, auf.
War es die gute Qualität des Wassers oder der wirtschaftliche Aufschwung in Brühl? 1975 liegt der Wasserverbrauch der 58.865 versorgten Menschen bei 161 Liter pro Kopf und Tag. Im Bundesgebiet sind es im Durschnitt hingegen „nur“ 130 Liter. Um der Nachfrage gerecht zu werden und die Qualität weiter zu verbessern, ersetzen 1976 und 1984 neue Tiefbrunnen die alten Brunnenanlagen. Ab 1977 kommen elektrotechnische Anlagen zum Einsatz, die den Betrieb des Wasserwerks weiter automatisieren. 1995 stellt das Wasserwerk die Eigenförderung ein. Die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln liefern fortan das kostbare Nass. Aufgrund auslaufender Wasserschutzrechte hätte Brühl hohe Auflagen wie die Ausweisung einer Wasserschutzzone für das Brunnengebiet erfüllen müssen. Durch die Nähe zur Industrie und Landwirtschaft erweist sich das jedoch als schwierig.
Die Entwicklung im neuen Jahrtausend
Weiterhin halten die Stadtwerke für die Stadt Brühl in den zwei Erdbehältern „Alte Bohle“ und im Turm an der Liblarer Straße insgesamt 11.500 Kubikmeter (entspricht ca. 64.000 Badewannen) als Wasserreserve. Diese Menge liegt deutlich über dem durchschnittlichen Tagesverbrauch der „Alte Bohle“ und die Trinkwasserleitungen saniert. Ebenso erfolgen Instandhaltungsmaßnahmen am Wasserturm an der Liblarer Straße und am Wasserwerk Berzdorf. Die Erneuerung des Wassernetzes geschieht, soweit möglich, parallel zu den Arbeiten am Gasnetz.
Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit erhält das Wasserwerk im Jahr 2021 eine neue, hochmoderne Steuerungsanlage. Die Druckerhöhungsanlage 3 (DEA3) „Alte Bohle“ erhält in der ersten Jahreshälfte 2024 eine moderne technische Ausstattung. Das Pumpwerk befindet sich nun auf dem neusten Stand und hat eine höhere Leistungsgrenze. Im Jubiläumsjahr 2024 beträgt das Versorgungsnetz in Brühl über 180 Kilometer Leitungsweg. Insgesamt werden hierüber rund 47.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgt. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, dafür setzen sich die Mitarbeiter der Stadtwerke Tag für Tag ein.